Ein paar gezielte Fragen an unsere geneigten Leser zum Start in den Tag: Haben Sie schon Ihren Milch Kaffee getrunken? War das Honig Brot gut? Hatte das Frühstücks Ei den richtigen Härte Grad?
Bevor Sie sich jetzt an den Kopf tippen und beim Autor dieser Zeilen auf einen anhaltenden Silvester Dach Schaden schließen, sei es klargestellt: Solche Wortbildungen sind zwar haarsträubend, aber man liest sie immer öfter.
Auf das Phänomen der Aufweichung deutscher Normen für die Bildung von Komposita, in diesem Fall zusammengesetzte Substantive, hat schon vor einigen Jahren Bastian Sick in seiner höchst verdienstvollen „Zwiebelfisch“-Reihe hingewiesen. Sein treffender Titel damals: "Dem Wahn Sinn eine Lücke".
Aber dieser Wahn Sinn hat mittlerweile leider Methode. Deswegen wieder einmal ein Zwischenruf. Nach den geltenden Rechtschreibregeln sind substantivische Komposita im Deutschen zusammenzuschreiben. So bringt es die große Duden-Grammatik auf den Punkt.
Etwas vereinfacht dargestellt: Weil die Bestandteile von Komposita sich in unserer Sprache problemlos aneinanderreihen lassen, werden sie auch zusammengeschrieben. Das geht dann – um ein berühmtes Beispiel zu nehmen – vom Kapitänspatent bis zum Donaudampfschifffahrtskapitänspatent.
Dabei gibt es verschiedene sogenannte Fugenelemente, die dieses Verschmelzen noch begünstigen: zum Beispiel in besagtem Kapitän(s)patent, aber auch in Tag(es)form, Hecke(n)schere, Präsident(en)berater, Kind(er)sitz oder Herz(ens)angelegenheit. Weil dabei aber auch gewöhnungsbedürftige Gebilde entstehen können, wurde bei der Rechtschreibreform der früher geächtete Bindestrich sinnvollerweise wieder begnadigt.
Verpönt ist er zwar weiterhin bei den oben aufgeführten Formen mit Fugenelementen – Unions-Kanzlerin ist Blödsinn, weil es die Form Unions gar nicht gibt und wir hier somit ein reines Fugen-s haben. Wenn es die Lesbarkeit erhöht, sollte man den Bindestrich jedoch setzen. Tee-Ei liest sich besser als Teeei, und zwischen Drucker-Zeugnis und Druck-Erzeugnis ist nun mal ein Unterschied.
Sinnvoll kann der Bindestrich zudem sein, wenn Wörter aus verschiedenen Sprachen aufeinandertreffen: So bleibt der Leser bei einem Wort wie Fangruppen (englisch fan = Anhänger + deutsch Gruppe) gern hängen, weil er als Deutscher zunächst einmal Fang-ruppen liest. Also besser Fan-Gruppen!
Damit sind wir beim Kern: Zu verdanken haben wir diese heutige Trennungsmanie dem Einfluss des Englischen, das eben mehr Formen von Komposita kennt als wir: ladybird = Marienkäfer (zusammen), lady-killer = Herzensbrecher (mit Bindestrich), lady doctor = Ärztin (getrennt). Da nun aber die Trennung im Englischen überwiegt, hat vor allem jener Typ stark auf das Deutsche abgefärbt – durch direkte Übernahme des Fremdworts wie bei Job Hunting = Stellensuche, durch Mischen von englischen und deutschen Bestandteilen wie bei Garten Center, oder durch simples Nachahmen im Deutschen wie bei Hosen Laden. So gibt es jetzt zum einen den deutsch-englischen Mischmasch – Marke: Luftfahrt Show, Underwear Unternehmen, Fastnachts Party.
Wobei sich durch Zweideutigkeit oft eine unfreiwillige Komik einschleicht. Was wird eigentlich in einem Back Shop verkauft – Brötchen (von deutsch backen) oder Hinterteile (von englisch back)? Zum anderen aber – und das ist fast schlimmer – grassiert das sinnlose Aufspalten normaler deutscher Wörter. Schauen Sie sich nur mal auf Speisekarten um: Alles in Einzelteilen – vom Apfel Mus über den Nudel Auflauf bis zum Zimt Eis. Von der Werbebranche beeinflusst, wird einfach drauflos getrennt – mit Inbrunst, aber meist bar jeden Sprachgefühls.
Und mit einer dummen Konsequenz: Wie deklinieren wir eine Neuschöpfung wie Grill Imbiss? Heißt es des Grill Imbisses? Oder des Grills Imbiss? Oder des Grills Imbisses? Oder – um noch den sogenannten Deppen-Apostroph zu bemühen – des Grill’s Imbiss beziehungweise des Grill’s Imbisses?
Spätestens hier kommen einem Karl Valentins Semmelnknödeln in den Sinn. Eines ist gewiss: Er riefe heute den sprachlichen Not Stand aus.
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