Mit dem Advent hat die hohe Zeit des weihnachtlichen Liedgutes begonnen, und da denkt man jetzt schon wieder mit Vorfreude an all jene berühmten Verhörer, für die vor allem Kinder unterm Christbaum gut sind – von der "Knaben bringenden Weihnachtszeit" bis zum kleinen "Owi", der in der Krippe vor sich hin lacht.
Gerade religiöse Texte laden unseren Nachwuchs ja zu Fehldeutungen ein. Unlängst erzählte eine Mutter von ihrer kleinen Julia, die sich in Gottesdiensten immer besonders angesprochen fühlte. Hatte sie doch statt "Halleluja!" schlichtweg "Hallo, Julia!" verstanden.
Aber auch bei Erwachsenen herrscht manchmal Klärungsbedarf. Was bedeutet eigentlich "Tochter Zion", jene Anrede aus dem bekannten Adventslied "Tochter Zion, freue dich"?
Zunächst eine Vorbemerkung: Als Urheber immer nur Händel zu nennen, greift zu kurz. Er hat zwar 1747 die Melodie komponiert, zunächst in sein Oratorium "Joshua" eingebaut und dann für das Oratorium "Judas Maccabaeus" übernommen, doch der Text stammt nicht von ihm. Bei Händels "See, the conqu‘ring hero comes" ging es im übertragenen Sinn um den Kampf zwischen der englischen Krone und schottischen Freiheitskämpfern.
Die Verse von "Tochter Zion" aber stammen aus dem Jahr 1826 und gehen auf den evangelischen Theologen Friedrich Heinrich Ranke zurück – übrigens einen Bruder des großen, später geadelten Historikers Leopold von Ranke. Bedient hat sich Ranke beim Propheten Sacharja (9,9), wo es heißt: "Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir..."
Damit wird auch klarer, was mit "Tochter Zion" gemeint ist. Vereinfacht dargestellt: Zion war eine Burg aus vorisraelitischer Zeit auf dem Gebiet Jerusalems. Spätestens als König Salomo dort den Tempel bauen ließ, wurde der Ort zum wichtigsten Bezugspunkt des Volkes Israel.
Damit einher ging eine allegorische Personifizierung: "Tochter Zion" stand als schillernder Begriff für die Stadt Jerusalem in Gestalt einer Frau. Diese hat man zu bestimmten Zeiten wegen ihrer Gottverlassenheit durchaus negativ gesehen. Überwiegend galt ihr aber die Verehrung als königlicher Braut des alttestamentarischen Gottes Jahwe. Und diese Anrufung wurde dann im Neuen Testament auf den zu erwartenden Messias umgemünzt.
Friedrich Heinrich Ranke hat übrigens auch den Text für ein anderes bekanntes Weihnachtslied besorgt. 1823 schrieb er "Herbei, o ihr Gläubigen", wobei er auf das lateinische Original "Adeste Fideles" zurückgriff. Auch hier könnten kindliche Interpretationsversuche durchaus apart ausfallen.
Hallo, Julia, übernimm doch mal!
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