Bundeswehrreform, Abschaffung der Wehrpflicht, Wegfall der Musterung - die Vorstellungen des Verteidigungsministers werden derzeit sehr kontrovers diskutiert. Und da kommt dann auch immer wieder von Skeptikern, die dem Freiherrn von und zu Guttenberg das politische Gespür absprechen wollen, sehr schnell der alte Vorwurf: Er hat halt die Ochsentour nicht gemacht, sprich: Er ist ein Quereinsteiger ohne Stallgeruch und ohne das langjährige Klettern von Parteiamt zu Parteiamt allzu schnell zu höchsten Würden aufgestiegen.
Wann genau diese Redensart von der Ochsentour aufkam, lässt sich heute nicht mehr sagen. Allerdings ist sie selbsterklärend: Wie die armen Ochsen ihr Tagwerk im immer gleichen Trott verrichten, so geht es auch vielen Menschen. Um dann doch irgendwann zu reüssieren, müssen sie den vorgeschriebenen Dienstweg einhalten und sich mühsam hochdienen.
Aber – und damit wären wir bei einer anderen beliebten Redensart – dann haben sie ihr Handwerk wenigstens von der Pike auf gelernt. Hier handelt es sich um eine Formulierung aus dem Kriegswesen. Wer einst seinen Dienst als Landsknecht antrat, wurde zunächst an der Pike ausgebildet, also am Spieß, der üblichen Waffe des Fußvolks. Mit Degen oder Muskete durfte er erst später umgehen.
Um 1500 kam die Pike aus dem Französischen zu uns. Piquer heißt stechen, und das steckt heute doch in einigen deutschen Wörtern: Wenn eine Speise die Zunge reizt, ist sie pikant.
Auch im übertragenen Sinn kennen wir diesen Begriff: Pikant also aufreizend im Sinn von anzüglich können Affären sein, Gemälde, Fotos, Passagen in einem Buch oder Szenen in einem Film.
Eine unserer Spielkartenfarben wiederum heißt Pik, weil das Motiv an eine Lanzenspitze erinnert.
Pikieren nennt man das Versetzen von dicht gesäten Jungpflanzen.
Und schließlich kennen wir noch das Wort pikiert: Wenn jemand gereizt wird, verletzt, beleidigt, dann reagiert er pikiert. Von und zu Guttenberg könnte angesichts all der Attacken auf ihn auch pikiert sein. Aber wie man diesen Smartie kennt, so sagt er sich: Das ficht mich nicht, das sticht mich nicht.
Vielleicht aber hat ihn bei seiner Demarche ja auch nur der Hafer gestochen. So sagt man, wenn jemand übermütig wird – wie ein Pferd, dem man zu viel Hafer gefüttert hat. Also doch Stallgeruch?
Freitag, 17. September 2010
Stuttgart 21 und der Stabreim
"Immer mehr Bürger lehnen Stuttgart 21 in Bausch und Bogen ab", so war im Radio zu hören.
Jeder versteht, was mit in Bausch und Bogen gemeint ist: ganz und gar, im Ganzen, zur Gänze, alles in allem, insgesamt.
Aber woher kommt diese gängige Redensart? Sie stammt aus der alten Kaufmannssprache und wurde vor allem beim Kauf und Verkauf von Grundstücken verwandt. Nahm man bei der Vermessung eines Terrains keine Rücksicht auf einzelne Abweichungen im Grenzverlauf, so hatte man es in Bausch und Bogen taxiert.
Bausch – verwandte Wörter finden sich in Sätzen wie "Der Wind bauscht die Segel" oder "Die ganze Affäre ist aufgebauscht" – stand dabei für nach außen gehende, also konvexe Ausbuchtungen, Bogen für nach innen gehende, also konkave Biegungen. Da sich solche Abweichungen immer irgendwie ausglichen, ließ man quasi fünf gerade sein und rechnete einfach Länge mal Breite.
Dass diese Wendung trotz ihrer altertümlichen Bedeutung noch immer so beliebt ist, dürfte am Stabreim liegen. Mag dieses einst beherrschende Element der deutschen Dichtung ansonsten auch aus der Mode gekommen sein, in Redensarten lebt es weiter. Lang ist die Liste von Formulierungen, die ihren Reiz aus der Wiederholung der Anfangslaute beziehen: mit Mann und Maus untergehen, Haus und Hof verlieren, Geld und Gut verspielen, über Stock und Stein gehen, um Kopf und Kragen reden, nach Lust und Laune vorgehen, bei Wind und Wetter losfahren, zwischen Baum und Borke sitzen, mit Kind und Kegel verreisen, Land und Leute kennenlernen, mit Haut und Haar verspeisen…
Und um bei Stuttgart 21 zu bleiben: Die Gegner werden weiterhin Gift und Galle spucken und Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um das Projekt doch noch mit Stumpf und Stiel auszurotten. Das ist so klar wie Kloßbrühe.
Jeder versteht, was mit in Bausch und Bogen gemeint ist: ganz und gar, im Ganzen, zur Gänze, alles in allem, insgesamt.
Aber woher kommt diese gängige Redensart? Sie stammt aus der alten Kaufmannssprache und wurde vor allem beim Kauf und Verkauf von Grundstücken verwandt. Nahm man bei der Vermessung eines Terrains keine Rücksicht auf einzelne Abweichungen im Grenzverlauf, so hatte man es in Bausch und Bogen taxiert.
Bausch – verwandte Wörter finden sich in Sätzen wie "Der Wind bauscht die Segel" oder "Die ganze Affäre ist aufgebauscht" – stand dabei für nach außen gehende, also konvexe Ausbuchtungen, Bogen für nach innen gehende, also konkave Biegungen. Da sich solche Abweichungen immer irgendwie ausglichen, ließ man quasi fünf gerade sein und rechnete einfach Länge mal Breite.
Dass diese Wendung trotz ihrer altertümlichen Bedeutung noch immer so beliebt ist, dürfte am Stabreim liegen. Mag dieses einst beherrschende Element der deutschen Dichtung ansonsten auch aus der Mode gekommen sein, in Redensarten lebt es weiter. Lang ist die Liste von Formulierungen, die ihren Reiz aus der Wiederholung der Anfangslaute beziehen: mit Mann und Maus untergehen, Haus und Hof verlieren, Geld und Gut verspielen, über Stock und Stein gehen, um Kopf und Kragen reden, nach Lust und Laune vorgehen, bei Wind und Wetter losfahren, zwischen Baum und Borke sitzen, mit Kind und Kegel verreisen, Land und Leute kennenlernen, mit Haut und Haar verspeisen…
Und um bei Stuttgart 21 zu bleiben: Die Gegner werden weiterhin Gift und Galle spucken und Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um das Projekt doch noch mit Stumpf und Stiel auszurotten. Das ist so klar wie Kloßbrühe.
Freitag, 10. September 2010
Hinz, Kunz und der kleine David
Im Vorfeld der in zwei Wochen anlaufenden großen Mannheimer Staufer-Ausstellung beschäftigen sich manche Zeitgenossen ja gerne mit diesem Herrschergeschlecht des Mittelalters, und da wimmelt es dann zwangsläufig von Friedrichen, Heinrichen und Konraden.
Familientradition wurde in solchen Dynastien hochgehalten, und so griff man zur Identitätsstiftung beim Nachwuchs immer wieder auf die gleichen Vornamen zurück. Das bringt uns zu einem anderen Phänomen. Die Verehrung jener Kaiser und Könige muss so groß gewesen sein, dass sich auch das einfache Volk dieser Namen bediente – und zwar geradezu inflationär, was dann für Bedeutungsverschiebungen sorgte.
So wurden etwa die Kurzformen Hinz für Heinrich und Kunz für Konrad sehr schnell sprichwörtlich. Frühe Belege für einen spöttischen Gebrauch der Floskel Hinz und Kunz im Sinn von jedermann finden sich schon im ausgehenden Mittelalter.
Wer sich etwas vornehmer ausdrücken will, spricht in diesem Fall nicht von Hinz und Kunz, sondern von Krethi und Plethi, denn auch in dieser Redewendung geht es abwertend um allerlei Leute. Aber hier standen keine Salier und Staufer Pate, sondern die bunt zusammengewürfelte Palastwache König Davids. Im 2. Buch Samuel 8,18 ist – hier in der Luther-Übersetzung – die Rede von Kretern und Plethern, und gemeint sind damit ausländische Söldner in Davids Diensten. Die einen stammten wohl aus Kreta – Vorstöße aus der kretisch-griechischen Ägäis bis nach Palästina lassen sich nachweisen. Plether aber ist hier ein anderer Name für Philister, also Angehörige jenes Volkes, das direkt an der Mittelmeerküste saß und den Juden erbitterte Kämpfe lieferte.
Der eine berühmte Kampf ging allerdings verloren: Der Philisterkrieger Goliath war zwar riesengroß, aber gegen die Schleuder des frechen, kleinen David hatte er keine Chance. Auch diese Geschichte ist sprichwörtlich geworden.
Familientradition wurde in solchen Dynastien hochgehalten, und so griff man zur Identitätsstiftung beim Nachwuchs immer wieder auf die gleichen Vornamen zurück. Das bringt uns zu einem anderen Phänomen. Die Verehrung jener Kaiser und Könige muss so groß gewesen sein, dass sich auch das einfache Volk dieser Namen bediente – und zwar geradezu inflationär, was dann für Bedeutungsverschiebungen sorgte.
So wurden etwa die Kurzformen Hinz für Heinrich und Kunz für Konrad sehr schnell sprichwörtlich. Frühe Belege für einen spöttischen Gebrauch der Floskel Hinz und Kunz im Sinn von jedermann finden sich schon im ausgehenden Mittelalter.
Wer sich etwas vornehmer ausdrücken will, spricht in diesem Fall nicht von Hinz und Kunz, sondern von Krethi und Plethi, denn auch in dieser Redewendung geht es abwertend um allerlei Leute. Aber hier standen keine Salier und Staufer Pate, sondern die bunt zusammengewürfelte Palastwache König Davids. Im 2. Buch Samuel 8,18 ist – hier in der Luther-Übersetzung – die Rede von Kretern und Plethern, und gemeint sind damit ausländische Söldner in Davids Diensten. Die einen stammten wohl aus Kreta – Vorstöße aus der kretisch-griechischen Ägäis bis nach Palästina lassen sich nachweisen. Plether aber ist hier ein anderer Name für Philister, also Angehörige jenes Volkes, das direkt an der Mittelmeerküste saß und den Juden erbitterte Kämpfe lieferte.
Der eine berühmte Kampf ging allerdings verloren: Der Philisterkrieger Goliath war zwar riesengroß, aber gegen die Schleuder des frechen, kleinen David hatte er keine Chance. Auch diese Geschichte ist sprichwörtlich geworden.
Freitag, 3. September 2010
Hintergedanken im Baumarkt
Vor 25 Jahren sorgte ein Buch bei uns für einiges Aufsehen. "Sie mich auch!" lautete sein hintergründiger Titel, und der US-Ethnologe Alan Dundes breitete darin seine gnadenlose These aus, der Deutsche an sich sei analfixiert. "Scheiße" sei eines seiner wichtigsten Wörter. Kein Volk der Welt habe – eine Folge von übertriebener Sauberkeitserziehung – eine solch infantile Lust an der Fäkalsprache. Die Abrechnung des Forschers – Urenkel eines Frankfurter Rabbiners – gipfelte im Vorwurf, von dieser Mischung aus Hygienewahn und psychotischem Hang zum Kotigen führe eine Spur direkt nach Auschwitz.
Natürlich war dieser pauschale Frontalangriff völlig überzogen – darüber muss man nicht diskutieren. Auch andere Nationen reagieren sich per "shit!", "merde!", "mierda!" etc. ab. Aber dennoch zuckt einem derzeit immer wieder die Erinnerung an jenes Buch durch den Kopf.
"Ohne Scheiß", so heißt der Slogan eines großen deutschen Baumarkts, zigtausendfach auf Plakaten, Prospekten und Zeitungsseiten verbreitet. Nun könnte man das Ganze als eine dieser heute leider üblichen unüberlegten Entgleisungen irgendwelcher Werbestrategen abtun – immer nach dem Motto "Auffallen um jeden Preis", auch um den Preis der Lächerlichkeit. Wir kennen das ja von affigen PR-Anglizismen wie "Powered bei Emotion" oder hirnrissigen Vergewaltigungen der Grammatik wie "Deutschlands meiste Kreditkarte". Aber es handelt sich wohl um eine Überzeugungstat. Wer seinen Unwillen in einem Schreiben an die Firma bekundet, bekommt Antwort vom Kundenmanagement. Darin ist zu lesen, das Unternehmen habe vor der neuen Kampagne "eine repräsentative Auswahl an Kunden, Verbrauchern und Werbefachleuten" befragt. Diese hätten mehrheitlich positiv reagiert, mit dem Motto "in erster Linie Begriffe wie Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit" assoziiert und damit Kernaussagen der Firmenstrategie bestätigt. "Ohne Scheiß" sei heute "fester Bestandteil des aktiven Wortschatzes und des allgemeinen Sprachgebrauchs".
Und das Fazit: Man hoffe, beim Kunden durch diese Darlegung Verständnis geweckt zu haben. Von wegen!
Zugegeben: Natürlich rutscht man im Affekt schnell einmal in die Analsprache. Aber zwischen dem gedankenlosen Lospoltern und dem bewussten Einsatz als Titelmotto einer Werbekampagne in großen Lettern liegen Welten. Und da muss – auch wenn irgendwelche angeblich repräsentativen Zeitgenossen das angeblich unbedenklich finden – im Interesse unseres Sprachniveaus Protest erlaubt sein.
Fast wünscht man sich, dass dieser Tage einmal ein Kunde an eine Baumarkt-Infotheke kommt, eine zuvor gekaufte Ware auf den Tisch knallt und mit einem abgrundtiefen "Ohne Scheiß, das taugt nichts!" wieder verschwindet. Aufrichtig und ehrlich wäre es allemal – aber nicht umsatzsteigernd.
Natürlich war dieser pauschale Frontalangriff völlig überzogen – darüber muss man nicht diskutieren. Auch andere Nationen reagieren sich per "shit!", "merde!", "mierda!" etc. ab. Aber dennoch zuckt einem derzeit immer wieder die Erinnerung an jenes Buch durch den Kopf.
"Ohne Scheiß", so heißt der Slogan eines großen deutschen Baumarkts, zigtausendfach auf Plakaten, Prospekten und Zeitungsseiten verbreitet. Nun könnte man das Ganze als eine dieser heute leider üblichen unüberlegten Entgleisungen irgendwelcher Werbestrategen abtun – immer nach dem Motto "Auffallen um jeden Preis", auch um den Preis der Lächerlichkeit. Wir kennen das ja von affigen PR-Anglizismen wie "Powered bei Emotion" oder hirnrissigen Vergewaltigungen der Grammatik wie "Deutschlands meiste Kreditkarte". Aber es handelt sich wohl um eine Überzeugungstat. Wer seinen Unwillen in einem Schreiben an die Firma bekundet, bekommt Antwort vom Kundenmanagement. Darin ist zu lesen, das Unternehmen habe vor der neuen Kampagne "eine repräsentative Auswahl an Kunden, Verbrauchern und Werbefachleuten" befragt. Diese hätten mehrheitlich positiv reagiert, mit dem Motto "in erster Linie Begriffe wie Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit" assoziiert und damit Kernaussagen der Firmenstrategie bestätigt. "Ohne Scheiß" sei heute "fester Bestandteil des aktiven Wortschatzes und des allgemeinen Sprachgebrauchs".
Und das Fazit: Man hoffe, beim Kunden durch diese Darlegung Verständnis geweckt zu haben. Von wegen!
Zugegeben: Natürlich rutscht man im Affekt schnell einmal in die Analsprache. Aber zwischen dem gedankenlosen Lospoltern und dem bewussten Einsatz als Titelmotto einer Werbekampagne in großen Lettern liegen Welten. Und da muss – auch wenn irgendwelche angeblich repräsentativen Zeitgenossen das angeblich unbedenklich finden – im Interesse unseres Sprachniveaus Protest erlaubt sein.
Fast wünscht man sich, dass dieser Tage einmal ein Kunde an eine Baumarkt-Infotheke kommt, eine zuvor gekaufte Ware auf den Tisch knallt und mit einem abgrundtiefen "Ohne Scheiß, das taugt nichts!" wieder verschwindet. Aufrichtig und ehrlich wäre es allemal – aber nicht umsatzsteigernd.
(Seite 1 von 1, insgesamt 4 Einträge)
Kommentare