
Was einst in Tagebüchern verschwand oder ungehört verhallte, wird heute grenzenlos verbreitet: Peinliches, halb Verstandenes, falsch Formuliertes. In seinen "Sprachplaudereien" rückt Rolf Waldvogel manchen Unsinn zurecht. Jetzt nachzulesen in seinem köstlichen Buch "Wortsalat mit Wurstersoße".
Fakten, Fakten, Fakten überschwemmen die modernen Medien. Um feine Formulierungen kümmert sich der Zeitgeist immer weniger. Wie gut, dass es noch Instanzen gibt wie Rolf Waldvogel, der bis zu seinem Ruhestand Ende 2008 die Kulturredaktion leitete und den Kollegen aller Ressorts in Fällen akuter Sprachverwirrung hilfreich zur Seite stand.
"Er ist unser Sprachpapst", bemerkte Mediendirektor Joachim Umbach bei der Vorstellung von Waldvogels Buch, das, versehen mit humorvollen Zeichnungen der Ulmer Illustratorin Tanja Hanser, als Edition der Schwäbischen Zeitung im Verlag Robert Gessler erschien.
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Vom Dativ zum Pustekuchen
Die zahlreichen Anhänger der "Sprachplaudereien", haben sich schon lange ein Büchlein gewünscht, in dem sie jederzeit nachschlagen können, was Rolf Waldvogel zum Dativ (oft missbraucht) oder zum Ursprung des Pustekuchens (rätselhaft) zu sagen hat.
Mit Leidenschaft erforscht der studierte Philologe und erfahrene Kulturjournalist die Geheimnisse der Grammatik und die Herkunft der Wörter. Tatsächlich, verriet er den Gästen in der Geschäftsstelle der Schwäbischen Zeitung Friedrichshafen, war ein kleiner Redaktionsstreit um ein Wort vor drei Jahren die Initialzündung für die Kolumne. "Olympiade", meinte Waldvogel damals, sei nicht etwa die Bezeichnung für die Olympischen Spiele, sondern für den Zeitraum zwischen den Spielen. Das, stellte sich heraus, galt ursprünglich in der Tat – eine Olympiade war eine Zeiteinheit für die alten Griechen.
Aber inzwischen, ergaben Waldvogels Erkundungen, hatte die normative Kraft des Faktischen die Sprache verändert. Auch der neue Duden ließ die Olympiade als Begriff für die Spiele gelten. "Ich war überholt worden", seufzt der Experte im Rückblick – und lächelt verschmitzt.
Durch die Arbeit an den mittlerweile 160 Folgen der Kolumne (die Hälfte davon steckt nun zwischen Buchdeckeln) ist Rolf Waldvogel so gut informiert, dass ihm niemand mehr ein X für ein U vormachen kann. Aber seine Texte sind nicht nur geprägt von wissenschaftlicher Genauigkeit, sondern auch von einer Heiterkeit, die die Lektüre zum puren Vergnügen macht.
Begeistert lauschte das Publikum einigen Kapiteln, die der Autor selbst vorlas, und lernte zum Beispiel, wie das Blaukraut (des Südens) mit oder ohne Essig zum Rotkohl (des Nordens) wurde und warum dieselbe Frau keinesfalls die gleiche ist. Dasselbe ist nämlich etwas Identisches, das Gleiche nur etwas Ähnliches. Und, wie Waldvogel zu Recht schreibt: "Zwei Freunde können bei der Auswahl ihrer Freundinnen den gleichen Geschmack haben. Dass sie dieselbe Freundin haben, geht sogar auch – aber wahrscheinlich nicht lange gut."
Auch das Geschlecht der Hauptwörter ist so eine Sache. In der südbadischen Heimat des Sprachforschers heißt es schon mal "der Butter" und "die Huhn". Im Schwäbischen, so Waldvogel mit liebevoller Ironie, "scheuen die Eingeborenen weder das Teller noch der Sofa".
Der Dialekt hat eben seine eigenen Gesetze – das gilt erst recht für manches Fachgebiet wie zum Beispiel die Jägersprache, die von der Ranz (Paarungszeit des Fuchses) bis zur Rausche (des Wildschweins wildeste Zeit) nur dem wackeren Waidmann geläufig ist. Allerdings benutzen wir auch in der Alltagssprache gewisse Begriffe aus der großen Hatz. So mussten Jagdgehilfen einst um das Revier der adeligen Herren Schnüre mit Stofffetzen spannen, um das fliehende Wild aufzuhalten. "Schlug sich nun ein schlaues Hirschlein trotz allem vor dem Finale mortale seitwärts in die Büsche, so war es durch die Lappen gegangen", erklärt Rolf Waldvogel in seinem Buch. Und das sollte man sich keinesfalls durch die Lappen gehen lassen.
Birgit Kölgen
Rolf Waldvogel: „Wortsalat mit Wurstersoße – Sprachplaudereien aus der Schwäbischen Zeitung“ mit llustrationen von Tanja Hanser. Schwäbische Zeitung und Verlag Robert Gessler, 160 Seiten, 17,80 Euro. Erhältlich ist das Werk im Buchhandel sowie in den Geschäftsstellen der "Schwäbischen Zeitung".
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