In den letzten Tagen hatte wieder ein Wort Hochkonjunktur, das a) noch recht jung ist und b) vor allem bei Fußballgroßturnieren benutzt wird: Schland.
Als ironischer Seitenhieb auf grölende deutschtümelnde Dumpfbacken in den Stadien tauchte es bei der WM 2006 in Stefan Raabs „TV total“ auf. Aber wie es halt manchmal so geht: Aus dem despektierlichen Kunstwort wurde ein Kultwort. Bei der WM 2010 sorgte „Schland o Schland“, gesungen von der Band "Uwu Lena" (Uwe Seeler + Vuvuzela + Lena), für eine witzige Persiflage auf Lenas Eurovision-Siegersong "Satellite". Zudem ist Schland ein geschütztes Markenzeichen von der Schland-Tasse bis zum Schland-T-Shirt – natürlich in Regie von Stefan Raab.
Aber hier soll uns dieses Schland aus einem ganz anderen Grund interessieren. An Wörtern fehlt es dem Deutschen ja nicht. Der Wortschatz unserer Standardsprache liegt bei rund 70 000. Nimmt man den Gesamtwortschatz, so tendiert die Zahl gegen 500 000. Aber was den Ausnutzungsgrad unserer Lautfolgen, also der möglichen Kombinationen von Vokalen und Konsonanten, angeht, so bleibt hier ein gigantisches Reservoir ungenutzt, was den meisten unter uns überhaupt nicht bewusst ist.
Um bei Schland zu bleiben: Bis 2006 war diese Buchstabenfolge als reguläres deutsches Wort unbesetzt. Den Schlund gab es zwar schon, aber Schlend, Schlind, Schlond, Schlönd und eben Schland waren noch ungehobene Schätze.
Weitere Beispiele mit wechselnden Vokalen: Den Schmand kennen wir auch. Aber was ist mit Schmind, Schmend, Schmönd, Schmond oder Schmund?
Wieso gibt es den Schrank, aber nicht den Schrunk, Schrink, Schrünk, Schrönk oder Schronk?
Warum lässt man im Standarddeutschen so schöne Kreationen wie Strampf, Strempf, Strimpf, Strompf oder Strömpf schnöde ungenutzt und begnügt sich mit Strumpf?
Und um mit Blick auf die Konsonanten den Spieß herumzudrehen: Wieso haben wir den Strand, aber nicht den Stranf, Strank, Stralf oder Strapf? Und wenn es schon Schland gibt, was ist dann mit Schlanf, Schmank, Schramd, Schnalp oder Schralf?
Allein dieser winzige Ausschnitt – nur einsilbige Wörter mit einem Sch-Laut am Anfang und dabei längst nicht alle Varianten – zeigt, welch weites Feld hier brachliegt. Aber die Sprachwissenschaft meint mit gutem Grund, wir bräuchten ja auch nicht mehr Wörter. Goethe hatte zwar einen Wortschatz von rund 90.000, aber der heutige Normalbürger kommt mit wesentlich weniger aus. Also können wir über Neuschöpfungen zwar immer nachdenken, aber uns ansonsten ruhig zurücklehnen. Die Flut wird sich aus sprachökonomischen Gründen in Grenzen halten.
Auch Schland dürfte nach der EM wieder an Attraktion verlieren. Aber eines ist sicher: Wir hatten eine stürke Nutianilmonnschift, eine stölke Modienulrannschuft, eine stimke Ritoniörlämstraft… Sie wissen schon!