Neulich fand sich in einer Polizeimeldung der SZ folgender Satz: "Er verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug und schanzte über eine Verkehrsinsel."
Schön bildlich ausgedrückt, aber außergewöhnlich. Denn dieses Wort schanzen in der Bedeutung über etwas hinwegspringen steht noch in keinem Nachschlagewerk. Ganz neu ist es allerdings auch wieder nicht – zumindest aus Kindermund hörte man es schon länger: Wenn unsere halbwüchsigen Söhne vor zehn, zwanzig Jahren mit hochroten Backen vom Skifahren kamen, erzählten sie stolz, über wie viele Hügel sie geschanzt waren – und wir schmunzelten. Dass dieser Begriff einmal zum Sprung in die Journalistensprache ansetzen würde, hätten wir damals nicht gedacht.
Nun ist es aber so, und wir haben hier einen schlagenden Beweis dafür, wie Wörter ihren Weg machen. Googelt man nach dem Satz er schanzte über, so finden sich zwar erst 68 Belege im Internet – aber dabei wird es sicher nicht bleiben. Auch auf www.schwaebische.de, dem Internetportal der SZ, wird schon munter geschanzt – allein 20 Mal seit Anfang des Jahres. Wobei diese Neuschöpfung ja nicht verwundert: Wir haben das Wort Schanze im Sinn von Sprungschanze, und da ist es nicht ganz abwegig, dass in der Umgangssprache anstatt springen irgendwann schanzen als Synonym auftaucht.
Auch dieser Begriff Schanze beim Skispringen ist schließlich durch eine Bedeutungserweiterung entstanden. Eine Schanze war ursprünglich ein mittels Schanzen – ein altes Wort für Reisigbündel – aufgeworfener Erdwall zur Verteidigung. Und aus diesem militärischen Umfeld stammt auch das alte Verb schanzen im Sinn von mit dem Spaten einen Geschützgraben ausheben – wohl für alle Soldaten eine unangenehme Erinnerung.
Um nun die Sache noch etwas zu komplizieren: Wir kennen ja auch das Verb zuschanzen, doch das steht auf einem ganz anderen Blatt. Im Mittelhochdeutschen gab es ein Wort Schanze, das aus dem altfranzösischen cheance abgeleitet war und letztlich auf das lateinische cadentia = der Würfelfall zurückging. Später wurde es dann auch beim Kartenspiel verwendet, und jemanden etwas zuzuschanzen hieß schlicht, ihm heimlich einen Tipp zu geben oder ihm gar eine Karte zuzustecken.
Übrigens haben wir später dieses französische Wort ein zweites Mal entlehnt – diesmal in der Form chance, und das steht für Glück, glücklicher Zufall, günstige Gelegenheit, Wahrscheinlichkeit.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass jener wilde Verkehrsinsel-Schanzer relativ glimpflich davonkam. Er prallte gegen einen Baum und blieb unverletzt. Das Auto aber war nicht zu retten – keine Chance.