Manches kommt zur Unzeit im Leben, zum Beispiel das brandneue „Wörterbuch der Jugendsprache 2012“, das jetzt auf dem Schreibtisch landete. Die Söhne schon zu alt, der Enkel noch zu jung…
Aber dann blättert man trotzdem mal durch. Seit Jahren bringt der Langenscheidt-Verlag unter dem vielsagenden Titel "Hä??" dieses kleine Nachschlagewerk heraus, das den "Kids" zur Identifikation dient, den Eltern zur Instruktion – und dem Rest zur Information. So lässt sich etwa nachschlagen, was unter einer Kukidentbande zu verstehen ist. Gemeint sind die Rentner. Da wäre man ja gerade noch darauf gekommen: Aber weiß jeder auf Anhieb, was ein Pflasterporsche ist? "Hä??" hilft einem weiter.
Eine wichtige Vorwarnung für arglose Benutzer: Die große Mehrzahl der von der Langenscheidt-Redaktion aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengetragenen und nun unzensiert publizierten Wortneuschöpfungen haben – deuten wir es einmal vorsichtig an – mit zwischenmenschlichen Betätigungen zu tun, über die sich unsere Nachfahren entschieden unbefangener auslassen, als wir friedhofsblonde Grabflüchter (grauhaarige Rentner) es auf den wildesten Partys unserer jungen Jahre jemals gewagt hätten. Heutige Jugendsprache ist nun mal respektlos bis rotzfrech, unappetitlich bis abstoßend, unanständig bis unverschämt, ordinär bis obszön, verletzend bis denunziatorisch, provokant bis anarchistisch – und spiegelt damit nur eine wachsende Permissivität, die ja auch anderen Teilen der Gesellschaft nicht fremd ist.
Aber das Phänomen Jugendsprache lässt auch erleben, wie Sprache generell funktioniert, wie Jargons im Dunkeln blühen und Ventile aufmachen, wie sie spontan auf Aktualität reagieren und sich permanent regenerieren, vor allem aber wie die Kreativität ins Kraut schießt und – bei allem hirnrissigen Geblödel – der Sprachwitz nicht zu kurz kommt.
Hier ein paar Stichproben der harmloseren Sorte, zwischen Alpenpizza (Kuhfladen) und Zornröschen (beleidigtes Mädchen) wahllos herausgepickt: Als Flachzange gilt, wer nicht ganz helle ist, als Wanderfritteuse, wer fette Haare hat, als Rudelgucker, wer zum Public Viewing geht, als Krötenstreichler, wer Umwelt-Projekte unterstützt. Unter Datenzäpfchen versteht man einen USB-Stick, unter Überhangmandat einen dicken Bauch, unter Zwergenadapter einen Kindersitz. Pennerglück ist das Billigbier, Schlampenstempel das Rücken-Tattoo, Assipalme der hochgebundene Pferdeschwanz, Maurerbibel die Bildzeitung, Kinderknast die Schule, Krümelkiste der Kindergarten und – besonders hübsch – Wikiwisser der Zeitgenosse, der sich seine Bildung nur aus dem Internet holt. Dazu passt ein Verb, das unsere Jugend unlängst aus gegebenem Anlass freudig in ihr Vokabular aufgenommen hat: guttenbergen heißt ganz einfach abschreiben…
Wer sich also auf dieses Büchlein einlässt, hat rubbeldiekatz seinen Wortschatz erweitert. Dieses rubbeldiekatz steht für extrem schnell – und ist damit das genaue Gegenteil der Gangart eines Pflasterporsches. Denn das sollten wir ja noch schnell aufklären: Ein Pflasterporsche ist ein Rollator.
Aber jetzt ist endgültig Schluss mit "Hä??", und wir blättern lieber im Rentnerbravo.
Rentnerbravo? Ganz einfach: die Apothekenrundschau.
Freitag, 18. November 2011
Ich guttenberge, du guttenbergst
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