"Das blaue Wunder ist ausgeblieben", so tönte es gestern früh aus dem Radiowecker. Noch im Halbschlaf hörte man es – und kam ins Sinnieren. In der Tat hatten die Spieler von Manchester United durch den Auftritt von Schalke 04 ihr blaues Wunder erleben sollen. Doch es kam dann leider umgekehrt: Die Schalker im blauen Trikot erlebten ihr rotes Wunder und schieden mit 1:4 aus. Aber können Wunder denn blau oder rot sein?
Das führt uns mitten auf das weite Feld der Farb-Metaphorik, wo nicht alles so farbecht ist, wie wir uns das blauäugig vorstellen. So ist gerade Blau nicht immer gleich Blau. Wenn die Dresdner ihre Loschwitzer Brücke im Volksmund stolz Blaues Wunder nennen, so hat das zwar mit der Farbe zu tun – die damalige König-Albert-Brücke wurde 1893 wirklich blau angestrichen. Aber im Grunde genommen liegen die guten Sachsen daneben. Denn die Redensart sein blaues Wunder erleben bedeutet ja nichts anderes als peinlich überrascht sein oder eine unangenehme Erfahrung machen.
Hier kommt eine alte Nebenbedeutung von Blau ins Spiel, und die ist nicht gerade schmeichelhaft: Blau war früher auch die Farbe der Täuschung. Auf dem berühmten Sprichwörter-Bild des Niederländers Pieter Bruegel d. Ä. aus dem 16. Jahrhundert hängt eine hübsche junge Frau ihrem Mann einen blauen Mantel um – will sagen: sie hat ihn mit einem anderen betrogen, und da dürfen wir dann schon davon ausgehen, dass sie ihm einen blauen Dunst vorgemacht und das Blaue vom Himmel herunter gelogen hat. Auch bei diesen deutschen Beispielen signalisiert Bläue also nichts Nettes. Aber wir sind ja an Negatives gewöhnt bei Farben: schwarze Schafe, goldene Kälber, grüne Witwen, gelbe Karten, rote Zahlen, graue Mäuse…
So weit, so bunt. Aber wenn einem solcherlei in aller Herrgottsfrühe durch den Kopf geht, ist man schon wieder erschöpft, bevor man es noch in die Vertikale geschafft hat. Wie sagte schon Eugen Roth? "Der Morgen Gold im Munde hat, ich aber fühl mich hundematt."
Apropos: Schüttelreime wären auch einmal ein Thema. Noch immer harrt eine dichterische Regionalie von höchster Aussagekraft ihrer sinnvollen Fortsetzung: "Als Ruth von ihrem Russen schied, da fuhr sie gleich nach Schussenried…" Was machte sie in Schussenried – geschüttelt, wohlgemerkt?
Bitte, übernehmen Sie!
Freitag, 6. Mai 2011
Von blauen Trikots und roten Wundern
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